Bis Mitte des 20. Jahrhunderts
wurde angenommen, der Sinus pilonidalis sei angeboren und die Entwicklung der Fistel finde bereits beim Embryo statt.
Angeborene Steissbeinfisteln
kommen tatsächlich vor:
- In seltenen Fällen kann ein Pilonidalsinus beim Fetus im Rahmen einer Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung mit Ultraschall dargestellt werden.
- Neugeborene, die mit Anomalien von Rückenmark und Rückenmarkkanal geboren werden, weisen häufig auch einen Sinus pilonidalis auf.
- Einige Medikamente, die während der Schwangerschaft eingenommen werden, können beim Neugeborenen einen Sinus pilonidalis verursachen. Dazu gehört beispielsweise die hochdosierte Einnahme von Phenytoin, einem Arzneistoff zur Behandlung der Epilepsie.
- Für eine genetische Veranlagung würde auch sprechen, dass eine familiäre Häufung des Pilonidalsinus zu beobachten ist. Bei einer familiären Häufung treten häufig sehr früh die ersten Symptome auf, auch neigen die Steissbeinfisteln dazu, nach einer Behandlung erneut aufzutreten.
- Für ein angeborenes Problem spricht auch, dass der Sinus pilonidalis sich immer in oder unmittelbar nahe der Mittelline der Gesäßregion befindet, wo es während der Embryonalzeit nicht selten zu Problemen bei der Entwicklung des Fetus kommt.
Es spricht jedoch auch einiges
gegen die Annahme, der Sinus pilonidalis sei ausschließlich angeboren:
- Eine entzündete Pilonidalzyste wird vor Eintreten der Pubertät selten beobachtet, und wenn, dann tritt sie 4,5-fach häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf.
- Dagegen spricht auch, dass bei Fehlbildungen von Rückenmark und Rückenmarkskanal das Haarnest des Pilonidalsinus keine versprengten Hautanhangsgebilde wie Schweiß- oder Talgdrüsen enthalten wie man das bei einem angeborenen Problem erwarten dürfte.
- Auch erklärt die Theorie der angeborenen Steissbeinfistel nicht, warum sich die Erkrankung in der überwiegenden Zahl der Fälle erst während der Pubertät bemerkbar macht und dann überwiegend bei Männern mit einem kräftigeren Fettpolster über dem Steissbein auftritt.
Erworbene Erkrankung mit fraglicher genetischer Veranlagung
Pit in der Pofalte |
Die Steissbeinfistel
wird heutzutage als eine während der Pubertät erworbene Erkrankung angesehen,
bei der möglicherweise eine genetische Veranlagung vorliegt. Ausgelöst wird die
Fistelbildung durch die Reibebewegungen der Gesäßbacken, wodurch sich
abgebrochene Haare in die Haut hineindrehen. Dadurch entstehen Vertiefungen in
der Haut, die Haare enthalten können, die sogenannten Pits.
Die Hornschuppen
der Haare wirken wie Widerhaken, wodurch das Haar immer tiefer bis in das
Unterhautfettgewebe dringen kann. Hier entwickelt sich dann ein Fremdkörpergranulom.
Fremdkörpergranulome heilen nicht spontan ab. Sie müssen nicht unbedingt Beschwerden verursachen (asymptomatische Form), können sich aber infizieren. Die Folge sind dann Beschwerden beim Sitzen, Druckgefühl oder auch immer wieder kleinere, blutig-eitrige Sekretabgänge (chronische Form) sowie die abrupte Ausbildung von Abszessen (akute Form).
Begünstigt
wird die Ausbildung der Steissbeinfistel durch zusätzliche Faktoren. Dazu gehören starke Behaarung, Übergewicht,
übermäßiges Schwitzen, ein kräftiges Fettpolster über dem Steissbein sowie eine
tief eingezogene Pofalte. Auch eine überwiegend sitzende Tätigkeit wirkt
begünstigend. Dies hat zur Bezeichnung „Jeep´s disease“ bei Soldaten geführt,
da während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1942 und 1945 über 77.000
amerikanische Soldaten an einer Steissbeinfistel erkrankten.
Vielfach wird immer wieder behauptet, dass mangelnde Körperhygiene ein zusätzlicher Risikofaktor darstellt. Studien haben jedoch ergeben, dass das Hygieneverhalten keinen Einfluss auf Entstehung, Abszessbildung oder Wiederauftreten der Steissbeinfistel hat.
Vielfach wird immer wieder behauptet, dass mangelnde Körperhygiene ein zusätzlicher Risikofaktor darstellt. Studien haben jedoch ergeben, dass das Hygieneverhalten keinen Einfluss auf Entstehung, Abszessbildung oder Wiederauftreten der Steissbeinfistel hat.
Bildnachweis:
Nartoun, SinusPilonidalis, marked as public domain, more details on Wikimedia Commons
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