Steissbeinfistel - was ist das?





Der Pilonidalsinus oder Sinus  pilonidalis („pilus“: Haar, „nidus“: Nest) ist eine akut oder chronisch verlaufende Entzündung im Unterhautfettgewebe, überwiegend im Bereich der Steissbeinregion, das heißt am oberen Ende der Pofalte. Umgangssprachlich wird die Erkrankung in der Regel als Steissbeinfistel bezeichnet, weniger gebräuchlich sind die Begriffe Sinus pilonidalis, Pilonidalzyste, Pilonidalsinuserkrankung, Haarnestgrübchen und Haarnestfistel. Die Erkrankung wurde 1833 erstmals beschrieben. Die Häufigkeit der Steissbeinfistel zeigt aus unbekannten Gründen eine steigende Tendenz.

Es werden drei Erscheinungsbilder der Steissbeinfistel unterschieden: die zufällig entdeckte Form, die keinerlei Beschwerden verursacht, die akute Abszessbildung und die chronische Form. Meist finden sich im zystenförmigen Sinus Granulationsgewebe, bei dem es sich um minderwertiges Bindegewebe handelt sowie Haare und Zelldetritus. Letzteres ist eine breiige, strukturlose und zumeist fetthaltige Masse, die beim Absterben oder entzündlich bedingter Einschmelzung von Gewebe entsteht.

Für die Entstehung einer Steissbeinfistel müssen mehrere Faktoren zusammentreffen, wobei die Haarwurzeln im Bereich der Pofalte eine entscheidende Rolle spielen. Näheres hierzu ist im Kapitel „Ursachen der Steissbeinfistel“ zu lesen. Überproportional häufig entwickeln junge Männer von dunklem Haartyp eine Steissbeinfistel.

Es existiert eine Vielzahl an Behandlungsmethoden der Steissbeinfistel. Die am häufigsten durchgeführte Methode ist das großzügige Ausschneiden des befallenen Areals mit einer offenen Wundbehandlung. Das bedeutet, die Wunde wird nicht vernäht, sondern mit Tamponaden versehen, die täglich gewechselt werden müssen. Das Verfahren ist zwar sicher, bedeutet jedoch für die Betroffenen monatelange Heilphasen mit entsprechend langer Einschränkung bei Freizeitaktivitäten und ggf. beruflicher Ausfallszeit. „Sicher“ heißt, der Eingriff ist nicht riskant und auch schnell durchgeführt, er schützt jedoch nicht vor Rezidiven, das heißt vor dem erneuten Auftreten einer Steissbeinfistel

Quellen:

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Häufigkeit der Steissbeinfistel





Die Häufigkeit der Steissbeinfistel in Deutschland lag 2012 bei rund 48/100.000 Einwohner (Männer, Frauen, Kinder, Alt und Jung). Aus nicht näher bekannten Gründen steigt die Zahl der Fistel-Betroffenen an. Das zeigen Zahlen, die bei der Bundeswehr erhoben wurden (überwiegend junge Männer): waren es im Jahr 1985 noch 30/100.000, stieg die Zahl im Jahr 2007 auf beachtliche 240/100.000 an.

Die Steissbeinfistel macht sich meist zwischen dem 2. und 3. Lebensjahrzehnt bemerkbar, überwiegend bei Männern unterhalb des 40. Lebensjahres. Männer sind 2,2-mal so oft betroffen wie Frauen. In 2013 wurde mit einer Studie untersucht, ob eventuell Hormonspiegel als Risikofaktoren für die Entstehung einer Steissbeinfistel eine Rolle spielen. Verglichen wurden die Hormonspiegel bei Männern mit und ohne Steissbeinfistel, hierbei fanden sich keine Unterschiede. Frauen mit einer Steissbeinfistel hatten jedoch einen erhöhten Prolaktin-Spiegel (Prolaktin wird in der Hirnanhangsdrüse gebildet, insbesondere während Schwangerschaft und Stillzeit).

Steissbeinfisteln müssen nicht unbedingt Symptome wie Schmerzen, Abszesse oder Austritt von Wundsekret oder Eiter verursachen. Manchmal sind die Fisteln einfach nur vorhanden, bereiten keinerlei Symptome und werden zufällig entdeckt. Auch dazu gibt es Zahlen: Während des Zweiten Weltkriegs mussten sich über 77.000 amerikanische Soldaten einer Pilonidalsinus-Operation unterziehen, bei weiteren 9000 wurde die Steissbeinfistel zufällig festgestellt. Eine aktuellere Studie aus der Türkei zeigte, dass bei 1000 Soldaten im Rahmen der Erstuntersuchung 8,8 % eine Steissbeinfistel aufwiesen, 4,8 % mit Symptomen und 4,0 % ohne Symptome.

Der Sinus pilonidalis tritt überwiegend bei Menschen mit europäischer Abstammung auf, selten bei Schwarzhäutigen. In asiatischen Ländern wird das Krankheitsbild selten beobachtet, in China soll es gänzlich unbekannt sein. 



Quellen:

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